Der Handlungsdruck im Gebäudesektor zur Erreichung der Klimaneutralität und weiterer Nachhaltigkeitsziele ist enorm groß. Bisher konzentrierten sich jegliche Bestrebungen in Politik, Forschung und Praxis auf besserer Wärmedämmung (Effizienz) und dem Einsatz von erneuerbaren Energien sowie nachwachsenden Rohstoffen (Konsistenz). Alleine reichen diese technischen Strategien jedoch nicht aus. Dies liegt u. a. an Rebound-Effekten: Seit Jahrzehnten steigt, z. B. aufgrund kleinerer Haushalte, mehr Eigentum und dem Empty Nest-Effekt, die Pro-Kopf-Wohnfläche [1], wodurch Einsparungen durch Effizienz und Konsistenz kompensiert werden [2].
Zudem wurden die beiden technischen Lösungsstrategien nicht ambitioniert genug umgesetzt und die Zeit zur massiven Reduktion der Treibhausgasemissionen drängt mittlerweile so sehr, dass alle Möglichkeiten ausgeschöpft werden müssen. Als komplementäre Ergänzung kommt hier die Suffizienz ins Spiel. Sie setzt auf Verhaltensänderungen, „die helfen, innerhalb der ökologischen Tragfähigkeit der Erde zu bleiben, wobei sich Nutzenaspekte des Konsums ändern“ [3]. Dabei ist eine absolute, Reduktion der ökologischen Auswirkungen unter Berücksichtigung einer angemessenen Lebensqualität das Ziel. Für den Gebäudebereich „bedeutet das vor allem einen wertschätzenden, bedürfnisorientierten und umweltschonenden Umgang mit dem Vorhandenen, das heißt Flächen, stofflichen und natürlichen Ressourcen sowie bestehender Bausubstanz“ [4]. „Daraus folgt, dass es eine Entscheidungskaskade geben muss: Diese sieht in der 1. Stufe Bestandserhalt und -erneuerung vor. Erst wenn die objektiv nachgewiesenen funktionalen, energetischen und gestalterischen Anforderungen nicht mehr im erneuerten Bestand erfüllt werden können, wird es in einer 2. Stufe um eine Bestandserweiterung gehen können. Und erst, wenn auch eine Bestandserweiterung den genannten Anforderungen nicht genügen sollte, kann in einer 3. Stufe in Zukunft ein Neubau als „ultima ratio“ stehen“ [5].
[3] Fischer, C., & Grießhammer, R. (2013): Mehr als nur weniger. Suffizienz: Begriff, Begründung und Potentiale. Öko-Institut Working Paper 2/2013, S. 10.
Damit Bauen klimaneutral wird, müssen verbaute bzw. graue Emissionen berücksichtigt werden. Im Kontext der Klimakrise ist daher eine fundierte, datengestützte Planung erforderlich. Ziele einer entsprechenden Planung sind es, langfristige Nachhaltigkeitsqualitäten zu schaffen und die Treibhausgasemissionen entlang des Lebenszyklus so gering wie möglich zu halten.
Die untenstehende Tabelle zeigt die CO2-Emissionen (Global Warming Potential in kg CO2-Äquivalente) für 360 Bauprodukte und Baumaterialien, die häufig in Neubauten und bei Renovierungen verwendet werden. Um eine gute Vergleichbarkeit zu gewährleisten, ist neben den Treibhausgasintensitäten (GWP in kg CO2-Äqv.) die entsprechende Bezugsgröße (Kilogramm (kg), Kubikmeter (m3), Stück (Stk., pcs), Megajoule (MJ)) angegeben. Die Emissionen werden untergliedert in die Lebenszyklusphasen: Herstellung (A1 – A5), Nutzung (B1 – B7), Entsorgung (C1 – C4) und Wiederverwendbarkeit (D). Damit können Planende einfache Bauteilvergleiche durchführen oder Erkenntnisse über die Klimawirkung auf Material- und Produktebene gewinnen. Die vorliegenden Daten wurden aus der ÖKOBAUDAT 2021 entnommen und vereinfacht dargestellt.
Die Tabelle bietet einen einfachen Einstieg für Planende, die sich aus den genannten Gründen mit dem ökologischen Fußabdruck ihrer Projekte beschäftigen wollen. Weitere Unterstützung bieten verschiedene frei verfügbare Ökobilanz-Tools, welche die Berechnung von Ökobilanzen für ganze Gebäude ermöglichen (z.B. Caala).
Quelle: Bundesministerium für Wohnen, Stadtentwicklung und Bauwesen (BMWSB) / Bundesinstitut für Bau-, Stadt- und Raumforschung (BBSR)
Suffizientes Bauen und Wohnen: Neben Effizienz und Konsistenz braucht es Suffizienz-Maßnahmen, um Klimaneutralität zu erreichen. Das heißt: Es muss ein Umdenken weg von “Viel hilft viel” hin zu einem maßvolleren, also suffizienten, Umgang mit Ressourcen erfolgen.
Mit Hilfe der „Bewertungsmatrix Suffizienz für Wohngebäude“ können die wesentlichen Suffizienz-Eigenschaften anhand von sieben Themenfeldern, 23 Kriterien und 58 Indikatoren während des Planungsprozesses bestimmt und optimiert werden. Bei der Entwicklung dieses Kriterien-Sets standen eine möglichst objektive Bewertbarkeit bzw. Quantifizierbarkeit sowie die Handhabbarkeit im Planungsprozess im Fokus, weshalb an vielen Stellen auf bestehende Bewertungsmethoden aus den Zertifizierungssystemen DGNB und NaWoh zurückgegriffen wird.
Gebäude werden immer energieeffizienter und können sogar klimapositiv betrieben werden. Dennoch werden durch Herstellung, Transport und Einsatz verschiedener Bauprodukte große Mengen an CO2 freigesetzt und “verbaut”. Durch die Auswahl der richtigen Konzepte und Materialien bestehen in den frühen Planungsphasen jedoch große Einflussmöglichkeiten auf die verbauten Emissionen sowie auf die Energieeffizienz im späteren Betrieb.
Darüber hinaus verlangen Förderprogramme und Banken bei der Kreditvergabe zunehmend einen lebenszyklusorientierten Planungsansatz mit transparenter Berichterstattung und guten Werten hinsichtlich der Treibhausgasintensität. Ferner ist zu erwarten, dass in den kommenden Jahren die Einhaltung von Grenzwerten im Bereich der Treibhausgasemissionen zu einer Genehmigungsgrundlage wird.
Mithilfe der ÖKOBAUDAT kann eine fundierte Auswahl hinsichtlich der CO2– Bilanz getroffen werden. Die ÖKOBAUDAT ist eine Plattform des Bundesministeriums für Wohnen, Stadtentwicklung und Bauwesen (BMWSB), die allen Akteuren der Baubranche eine vereinheitlichte Datenbasis für die Ökobilanzierung von Bauwerken bietet. Die Datenbank umfasst mehr als 1400 Ökobilanz-Datensätze zu Baumaterialien, Bau-, Transport-, Energie- und Entsorgungsprozessen.
Dieses Wissen wurde gestiftet von:
Das ara – atelier regenerative architecture (Fachgebiet Entwerfen und Energieeffizientes Bauen, Prof. Dr-Ing Susan Draeger), Fakultät für Architektur, Bauingenieurwesen und Stadtplanung der Brandenburgischen Technischen Universität Cottbus-Senftenberg (BTU) beschäftigt sich in Forschung und Lehre mit regenerativen Gebäuden und Siedlungsstrukturen. Diese gehen über das Niveau eines mit nachhaltigen Kriterien geplanten Gebäudes hinaus, indem sie unsere Umwelt verbessern. Sie sind in die natürliche Umgebung integriert und so konzipiert, dass sie beschädigte Ökosysteme wieder herstellen können. Das atelier regenerative architecture geht gemeinsam mit den Studierenden den Fragen nach, wie regenerativ entworfen werden kann und wie der Wandel dorthin zustande kommt.
Die vorliegende Suffizienz-Bewertungsmatrix für Wohngebäude wurde von Patrick Zimmermann während seiner Masterarbeit im Studiengang M. Sc. Energieeffizientes und Nachhaltiges Bauen an der TU München entwickelt.
Als Non-Profit-Organisation setzt sich die DGNB seit ihrer Gründung im Jahr 2007 für nachweislich gute Gebäude, lebenswerte Quartiere, kurzum für eine zukunftsfähige gebaute Umwelt ein. Ziel ist die Transformation des Bau- und Immobilienmarktes hin zu einem angemessenen Qualitätsverständnis als Grundlage für ein verantwortungsvolles, nachhaltiges Handeln.
Das hier bereitgestellte Wissen wurde von der DGNB aufbereitet und entstammt der Plattform ÖKOBAUDAT des Bundesministeriums für Wohnen, Stadtentwicklung und Bauwesen (BMWSB). In dieser Datenbank werden detaillierte Ökobilanz-Datensätze zu Baumaterialien, Bau-, Transport-, Energie- und Entsorgungsprozessen kostenfrei zur Verfügung gestellt.
Dr. Anna Braune Abteilungsleiterin Forschung und Entwicklung Tel: +49 711 722322-67 a.braune@dgnb.de
Als Non-Profit-Organisation setzt sich die DGNB seit ihrer Gründung im Jahr 2007 für nachweislich gute Gebäude, lebenswerte Quartiere, kurzum für eine zukunftsfähige gebaute Umwelt ein. Ziel ist die Transformation des Bau- und Immobilienmarktes hin zu einem angemessenen Qualitätsverständnis als Grundlage für ein verantwortungsvolles, nachhaltiges Handeln.
Dr. Anna Braune Abteilungsleiterin Forschung und Entwicklung Tel: +49 711 722322-67 a.braune@dgnb.de
Beim DGNB Kartenspiel “Nachhaltigkeit macht Schule” schlüpfen die Spielerinnen und Spieler in die Rolle von Schulleiterinnen und Schulleitern, die um die Förderung der Nachhaltigkeit an ihrer Schule wetteifern. Ziel ist es, mit Geschick und Verstand möglichst viele Nachhaltigkeitsmaßnahmen an der eigenen Schule umzusetzen. Duelle, unerwartete Ereignisse und Herausforderungen sowie Wissens- und Schätzfragen bringen Schwung ins Spiel.
Das Spiel “Nachhaltigkeit macht Schule” leistet somit einen Beitrag zur Bildung für nachhaltige Entwicklung. Es kann von Lehrkräften als Inspiration und als Unterrichtsmaterial mit konkretem Praxisbezug und hohem Aktivierungspotenzial genutzt werden. Das Setting des Spiels ist so nah an der gelebten Erfahrung von Schüler*innen und Lehrer*innen, dass es der nächste logische Schritt sein dürfte, die Maßnahmen und Inhalte des Planspiels in die Praxis zu übertragen.
Um die schwerwiegendsten Folgen der Klimakrise abzumildern und angemessen auf neue Umweltbedingungen zu reagieren, ist großes Engagement auf allen gesellschaftlichen Ebenen erforderlich. Manchmal bedarf es eines zusätzlichen Anstoßes, um das Ausmaß und die Dringlichkeit dieser Herausforderung zu erkennen. Ein solcher Anstoß wird nicht zuletzt regelmäßig von einer jungen und politisch aktiven Generation gegeben.
Auch öffentliche Einrichtungen und Schulen sind aufgerufen, Maßnahmen zu ergreifen und sich verstärkt mit Fragen der Nachhaltigkeit auseinanderzusetzen. Dies kann auf der Ebene der Lehrpläne, der Schulgebäude sowie des Gebäude- und Schulbetriebs geschehen. Das Spiel zeigt, dass es bereits eine Vielzahl von Lösungsansätzen gibt und lenkt die Aufmerksamkeit von Schüler*innen und Lehrer*innen auf diese. “Nachhaltigkeit macht Schule” kann kaum gespielt werden, ohne anschließend die Frage aufzuwerfen, ob die vermittelten Maßnahmen denn auch an der eigenen Schule umzusetzen sind.
Zugleich ist es von besonderer Relevanz, dass sich die Generation, die von den klimatischen und ökologischen Herausforderungen der Zukunft am meisten betroffen sein wird, nicht ohnmächtig und allein gelassen fühlt. Dazu kann das Spiel “Nachhaltigkeit macht Schule” einen Beitrag leisten.
“Nachhaltigkeit macht Schule – das DGNB Spiel” wurde von der Deutschen Gesellschaft für Nachhaltiges Bauen – DGNB e.V. in Zusammenarbeit mit Schülerinnen und Schülern des Geschwister-Scholl-Gymnasiums Stuttgart (Lea Kastigen, Helena Rössle, Tristan Schwarz und Jana Wittmann) im Rahmen des Projekts “Juniorenfirmen auf dem Weg zum nachhaltigen Wirtschaften – Umweltprofis von morgen” entwickelt.